Dr. Detlef Weber
Business Transformation - ein "internes" Projekt? (Teil 3)
Aktualisiert: 28. Aug. 2022
Case-Studies einer Transformation
Das Ziel dieses Posts ist die Beschreibung des Entstehens und des Verlaufs einer realen Transformation, so wie ich sie als PIM (Process Interface Manager) bearbeitet habe.
Aus der Case-Study geht hervor, wie ich als PIM in der Transformation zu ihrem guten Ergebnis beigetragen habe – nach dem Erkennen/Analysieren von Unklarheiten und unsicheren Prozess-Schritten.
Die beiden Beispiele aus Produktionsbetrieben sind „anonymisiert“ dargestellt – ein Projekt: der Neubau als Erweiterung des bestehenden Betriebes, das andere Projekt: die Migration eines ERP-Systems als Teil einer Digitalisierungs-Transformation.
Gemeinsames Merkmal in der Vorbereitungsphase beider Transformations-Projekte ist:
Die Geschäftsführung und das Management-Team haben in langer Vorbereitung „das Projekt“ im Rahmen des Masterplans entwickelt. Sie haben eine SWOT- und eine Risikoanalyse durchgeführt und schließlich zur Umsetzung freigegeben.
Es werden externe Projektteams beauftragt, „das Projekt“ zu implementieren und bis zur Übergabe / zum „GoLive“ zu begleiten. Das interne Steering-Committee legt die Struktur des Projekts und die Prioritäten fest und kontrolliert die Transformation in ihren verschiedenen Phasen.
Bis hierhin ist alles schlüssig und in allem gut durchgeplant. Es sind bei ausreichendem Budget die richtigen (Projekt-)Experten am Werk, die die möglichen „Fallen“ in derartigen Projekten kennen. Die Experten haben Gap-Analysen durchgeführt. Es sind keine „Show-Stopper“ zu erkennen. Kommt es während der Implementierung doch zu Verzögerungen und wird der GoLive-Termin verschoben, so sind die Verzögerungen gut begründet, um Gaps mit nennenswertem Risiko noch zu schließen.
Nun die „operative“ Seite der Transformation:
Das (externe) Projektteam hat in kurzer Zeit dem Team vor Ort
- die Architektur des Projekts bis hin zur „Bedienoberfläche“ präsentiert,
- die mit dem neuen System verbundenen neuen Aufgaben und Rollen beschrieben
- die darauf abgestimmten Trainings (auf die neuen Rollen hin konzipiert) im ambitionierten Zeitplan skizziert
… und arbeitet im Hintergrund an Übersichten und Plänen zu Qualifizierungen/Validierungen des neuen Systems.
Das Steering-Committee erkennt aus den Projektberichten gewisse Auffälligkeiten zwischen den URS/FDS und den an das operative Team im Betrieb gestellten Fragen/Klärungen.
Beispielsweise einige Fragen aus der Umsetzungsphase:
Können die internen „operativen“ Ressourcen alle Fragen des Projektteams beantworten? Wie sind die Fragen gestellt? Werden u.U. Klärungen des Projektteams durch Fragen an das operative Team „weg-delegiert“?
Wie passen letztendlich die beiden (parallelen) Zeitpläne Projekt/Produktion übereinander?
Sind die Übergabe-Punkte bei Meilensteinen ausreichend geklärt? Ist das Personal hierfür geschult (Checklisten Handover, FAT, Validierungen)?
In einem Projekt gab es Fragen zur Raumstruktur des neuen Gebäudes, den Transport- und Personalwegen, zu notwendigen Wasseranschlüssen/Bodenabläufen. In welche Richtung sollen Türen aufschlagen, oder sind Schnelllauftore besser? Braucht man doch einen weiteren Materialaufzug? Wo benötigen die Operateure Podeste, Bedienhilfen? Sind die Probenahmestellen alle einfach zugänglich?
Im anderen Projekt gab es Unklarheiten zu neu zugeordneten Rollen sowie die entsprechenden Trainings dazu. Wer benötigt einen zusätzlichen Zugang? Wie viele Vertreter der Rolle braucht es? Welche Zusatzschulungen benötigen sie? Wie gewährleistet man einen nahtlosen einwandfreien Datenübergang vom alten aufs neue System? Wie lange muss die Produktion hierfür stehen?
Was bedeutet das für die Logistik, was für die Buchhaltung/Rechnungsabteilung?
Der PIM ist in die Organisation des operativen Teams eingebunden:
Das Team vor Ort hat parallel noch das gewöhnliche Business zu leisten (wie in Teil 2 erwähnt), hat den geplanten Urlaub leider mitten in der Trainingsperiode – und fragt sich auch, wo denn der besondere Fortschritt beim Neubau/der Nutzen der Systemumstellung für ihre Arbeit liegt. In den Gesprächen auf dem Flur und an der Kaffeemaschine tauscht man sich über offene Punkte aus, fügt am Schluss hinzu „aber irgendwie packen wir es schon – so wie immer halt“.
In weiser Voraussicht hat jedoch die Geschäftsführung diesmal den PIM bestellt, der bei beiden Teams genau hinhört und genau hinschaut.
Ich habe bei den einen erfasst, was sie sagen wollten, und bei den anderen, was sie nicht gehört haben. In meiner Funktion als PIM habe ich auch eine Linien-Rolle, bin damit selbst Teil der Transformation.
Ich stelle die verschiedenen Fragen zusammen und kläre, an wen sich diese Fragen richten. Parallel erarbeite ich mit dem Team Lösungsoptionen.
So kann ich aus direkter Einbindung vermitteln, und mit Coaching in der Teilnehmerrunde Dialog entstehen lassen, und das externe Projektteam zielführend einbeziehen.
Es ist immer wieder zu beobachten: meldet sich einer aus dem Team zu Wort und wird ernst genommen, so melden sich auch andere Kollegen, und man findet mit vielen Stimmen einen gemeinsamen Weg, um die ambitionierten Vorgaben der Geschäftsleitung möglichst genau, termin- und kostengerecht umzusetzen.
Wichtig an diesem Punkt des Projekts ist meine Analyse:
Sind die Fragen vom Zeitpunkt her noch rechtzeitig/richtig angesiedelt? Kann das operative und das Projektteam Nachbesserungen in adäquater Weise einbringen? Welchen Einfluss haben die diskutierten Maßnahmen im Projektverlauf auf Termine/Budget/Belieferung der Kunden?
Gibt es im operativen Team ausreichend Ressourcen zur Behandlung dieser Maßnahmen – nebenbei zum normalen Tagesgeschäft/Produktionsbetrieb?
Ein wichtiger Aspekt in diesem Miteinander ist die Projektstruktur, die die Externen „automatisch“ mitbringen: Organisation, Projektplan, Performance Indikatoren, Dashboards, Tracking der Ergebnisse.
In meinen Projekten ist es immer wieder schwierig, die internen Teams vom Nutzen dieser Dokumentation zu überzeugen und sie zur Anwendung dieser Dokumentation auch in ihren Projekten anzuregen. Da geht sehr viel mündlich beschreibend an den Teilnehmern vorbei (zumal heute größtenteils im HomeOffice), anstelle präzise und knapp schlüssig mithilfe Terminübersicht und Graphik aussagekräftig zu adressieren.
Da hilft mir die Erfahrung in Kommunikation und angewandter Variabilität in der Dokumentation, um im hands-on Stil die richtigen Übersichten in Tabellen und Dashboards zu entwickeln.
Nur durch die (externe) Initiative als PIM schaffe ich den (internen) Antrieb der Teams, mithilfe der Übersichten prägnante Transparenz sowie Effizienz in den Meetings und in der Umsetzung zu schaffen. Ohne diese Klarheit in der Video-Conference driften die Teilnehmer währenddessen ab in Nebenbei-Aktivität – hören nicht zu, und sind nur noch passive Teilnehmer.
Fehlt dann noch das Besprechungsprotokoll in Form einer Aktionsübersicht, so geht die Nachverfolgbarkeit der Besprechung ganz verloren.
Jede Transformation durchläuft den GoLive – und setzt sich danach in der Bewährungsprobe der Realität fort.
Die Phase nach dem GoLive ist eine Bewährungsprobe für Vollständigkeit des Prozesses, für die Effizienz des Trainings und zeigt das Team-Verständnis der Beteiligten.
Wie unterstützen sich die Kollegen untereinander? Wer hat schon die ersten Verbesserungen im Blick? Wer hinterfragt die Verknüpfungen einzelner Module? Und wer „personalisiert“ bereits die Module auf seinem Screen?
Hier zeigt der „Gemba-Walk“ seine Stärke. Im Gespräch mit den Mitarbeitern vor Ort mache ich mir selbst ein Bild von der Umsetzung, von der Einstellung der Mitarbeiter zu den Änderungen.
Wem fehlt noch Übung? Wo ist Unterstützung seitens der „Externen“ hilfreich?
Wie oft muss der Mitarbeiter zwischen Menüs hin- und herwechseln, um in den Modulen einen Prozessschritt abzuschließen? Wann muss er sich identifizieren – und wie? Wie gut laufen die Hintergrund-Prozesse (digitale Signaturen, Benachrichtigungen des Systems an den Benutzer?)
Ist das Whiteboard eingerichtet, wo die Mitarbeiter ihre Anmerkungen notieren können und die Erledigung abgezeichnet wird?
Fazit:
In effizienter Koordinierung und Rückkopplung zwischen Steering Committee / Projekt-Consultants / PIM / operatives Team gelingt eine erfolgreiche Umsetzung der Transformation in verschiedenen Bereichen. Bei mangelnder Rückkopplung (ohne PIM) gehen viele Verbesserungsvorschläge des operativen Teams verloren. Das kostet Geld und Zeit – und erzeugt Frust.
